Eine Superstaatsbank: PrivatBank wurde verstaatlicht. Was kommt als nächstes?
PrivatBank in Staatsbesitz
Einerseits ist mit der Verstaatlichung der Privatbank eine Stabilisierung des Bankensystems erreicht worden, so dass nicht mehr ein Großteil der Zahlungsinfrastruktur von den Anteilseignern einer kommerziellen Bank abhängt. Andererseits hat man sich mit der Lösung des Problems einer too big to fail-Bank das Problem einer too big to sell-Bank eingehandelt. Ist der Plan, die PrivatBank mit der ebenfalls verstaatlichten Oschadbank zu fusionieren, umgesetzt, kann der neugeschaffene Bankenriese nicht mehr verkauft werden, ohne das Risiko in Kauf zu nehmen, die Kontrolle über das Herz der ukrainischen Wirtschaft in private Hände zu legen. Zudem ist die Fusionierung von Banken eine hochkomplizierte und langwierige Angelegenheit. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fusion von Ukrsotsbank und UniCredit, die fast drei Jahre gedauert hat.
Too big to sell
Die herausragende Bedeutung der PrivatBank für die Zahlungsinfrastruktur war ein entscheidender Faktor, der dazu führte, dass die Bank verstaatlicht und nicht abgewickelt wurde. Etwa die Hälfte der Bankkarten mit Zahlfunktion und der Geldautomaten in der Ukraine gehören der PrivatBank. Ihre Verstaatlichung führte dazu, dass 74% aller ausgegebenen Bankkarten zu einer in staatlichem Besitz befindlichen Bank gehören. Der Anteil der staatlichen Banken an den Geldautomaten und Bankfilialen im Land beträgt 77% beziehungsweise 60%.
Dass diese Zahlen zurückgehen werden, ist nicht gesagt. Schafft es der Staat, diese Infrastruktur einigermaßen angemessen zu managen – Anläufe zu einem technischen Durchbruch bei der Oschadbank geben Anlass zu Optimismus –, wird das den Kundenzulauf zu den Diensten der vier staatlichen Banken begünstigen. In der Vergangenheit errichtete administrative Hürden, die weiteres Wachstum behindert haben, stellen für die PrivatBank offensichtlich keine Bedrohung mehr dar. Indem sie nun zu hundert Prozent staatlich ist, kann sie Empfängern von Sozialleistungen und Renten ihre Dienste unkompliziert anbieten und, so scheint es, auch wieder den Status der Verwalterin des Einlagensicherungsfonds einnehmen, den sie de facto verloren hatte.
Gleichzeitig entsteht mit Plänen für den Verkauf dieser Riesenbank ein neues Problem. Aus offensichtlichen Gründen enthalten die vor knapp einem Jahr verabschiedeten »Prinzipien zur strategischen Reform des staatlichen Bankensektors« keine spezifischen Pläne für den Verkauf der PrivatBank. Das Dokument geht jedoch »aufgrund möglicher Veränderungen von einer weiter wachsenden staatlichen Beteiligung am Bankensektor des Landes« aus und lässt die Absicht erkennen, den Anteil des Staates durch einen teilweisen oder kompletten Verkauf der größten Bank zu reduzieren. In den nächsten zwei bis vier Jahren werden die privaten Banken aber kaum in der Lage sein, mit der PrivatBank gleichzuziehen, was die Zahl von Bankkarten und Geldautomaten angeht. Der Verkauf der PrivatBank in ihrer derzeitigen Form brächte das Risiko mit sich, dass der Markt durch die neuen Besitzer monopolisiert würde.
Das ist sowohl für die Infrastruktur als auch für die Ressourcenausstattung relevant, da 36% der privaten ukrainischen Geldeinlagen bei der PrivatBank liegen. Derzeit legt sich die Panik wieder, die die Medien mit der Meldung ausgelöst haben, dass nach Einführung der staatlichen Übergangsverwaltung täglich 2 Mrd. Hrywnja an den Geldautomaten der PrivatBank abgehoben wurden (wie sich herausstellte, liegt der übliche Betrag bei 1,3 Mrd. Hrywnja). Die meisten Einlagen werden also bei der Bank bleiben, was weitere Risiken für deren mögliche künftige Privatisierung bedeutet.
Die Aussicht auf eine Fusion von Oschadbank und PrivatBank, die seit der Verstaatlichung diskutiert wird, senkt die Wahrscheinlichkeit einer Entstaatlichung beider Institutionen. Die Abgabe der Kontrolle über einen solchen Bankenriesen ist eine Frage der nationalen Sicherheit und wird daher wohl ausgesetzt werden.
In der Zwischenzeit kontrolliert weiterhin der Staat die Bank und es ist kaum vorstellbar, dass eine andere Bank mit dem Marktanteil eines solchen Bankenriesen mithalten kann. Lord of the Rates Als Folge dieser Situation kann das Finanzministerium nun die Zinssätze stärker beeinflussen. Einer der beiden Gründe, warum es der PrivatBank gelungen ist, so viele private Geldeinlagen anzuziehen, sind ihre Nutzerfreundlichkeit, ihre Flexibilität und ihr großes Niederlassungs- und Automatennetz. Genauso wichtig waren ihre hohen Zinssätze, die oftmals einige Prozentpunkte über dem Marktdurchschnitt lagen. Nachdem die Hochrisikobanken, wie Delta, Finance und Credit, samt ihrer hohen Zinssätze im Zuge der Marktbereinigung verschwanden, blieben nicht viele Optionen für hohe Zinssätze. Grundsätzlich hatte die PrivatBank eine paradoxe Situation geschaffen, in welcher sie als Marktführer im Bankensektor einen Aufschlag auf den durchschnittlichen Preis für Bankeinlagen zahlte. In einigen Nachbarländern der Ukraine, etwa Polen, Ungarn oder Russland, halten die jeweiligen Marktführer 20% bis 43% der Geldeinlagen, während ihre Zinssätze merklich unter dem Marktdurchschnitt liegen. Die Bankkunden sind hier zugunsten der Sicherheit der größten und verlässlichsten Finanzinstitution ihres Landes bereit, auf höhere Zinsen zu verzichten.
Da das ukrainische Finanzministerium nun mehr als die Hälfte des Bankensystems kontrolliert, kann es versuchen, der Nationalbank der Ukraine (NBU) bei der schrittweisen Senkung ihrer Zinssätze zu helfen. Natürlich obliegt die direkte Leitung jeder in Staatsbesitz befindlichen Bank einem unabhängigen Vorstand. Als Anteilseigner wird der Staat jedoch auf eine solche Senkung hinarbeiten, da sie die Refinanzierung der öffentlichen Schulden zu einem niedrigeren Preis befördert.
Derzeit genießen PrivatBank und Ukreximbank eine hundertprozentige staatliche Garantie für private Einlagen, ein Vorteil, der bisher nur der Oschadbank gewährt wurde. Letztere ist jedoch nach wie vor nicht Teil des Einlagensicherungssystems und leistet daher auch keine Zahlungen an den Einlagensicherungsfond. Die staatliche Garantie soll die Zweifel vorsichtiger Sparer zerstreuen, die lieber auf Nummer sicher gehen. Natürlich zielt eine solche Maßnahme aber vor allem auf eine Verbesserung der Reputation der Banken ab, soll Panik unter den Sparern abbauen und die Liquidität aufrechterhalten. Allgemein gesprochen gleicht sie einer Atomwaffe – niemand nimmt die Idee ihrer Anwendung ernst, sie beruhigt aber ihre Besitzer.
Weil sie Marktmechanismen verzerrt, indem sie Geldeinlagen künstlich zu den staatlichen Banken lenkt, schadet die Garantie mittelfristig mehr als dass sie nutzt. Die durch sie entstandene Situation kann kaum als fairer Wettbewerb der Banken am Markt betrachtet werden. Außerdem legen die »Prinzipien zur strategischen Reform des staatlichen Bankensektors« eher nahe, die hundertprozentige Einlagengarantie für die Oschadbank zurückzunehmen als sie auf zwei weitere Banken auszuweiten. Am besten würde zumindest ein kleiner Prozentsatz dieser Banken verkauft, da die Garantie sich auf zu hundert Prozent in Staatsbesitz befindliche Banken bezieht. Dies bringt uns zum Problem des Bankenverkaufs zurück.
Arbeitet die Regierung effizient?
Eine Kernaufgabe des Bankensystems ist es, finanzielle Ressourcen in die Sektoren der Wirtschaft zu lenken, in denen sie am effizientesten eingesetzt werden können. Lange haben die in staatlichem Besitz befindlichen Banken eine spezielle Nische besetzt, indem sie großen staatseigenen und privaten Firmen und Projekten Kredite gewährt haben. Anschließend folgten Energieeffizienzprogramme und in Zusammenarbeit mit internationalen Finanzunternehmen gewährte Anleihen für kleine und mittlere Firmen. Nachdem sie ihren Anteil an den Aktiva des Bankensystems mittlerweile auf über 50% erhöht haben, sollten die staatlichen Banken ihr Geschäftsfeld nun deutlich ausweiten.
Kreditvergaben an den Staat sind ein weiteres Thema. Investitionen in Staatsanleihen machen 35% bis 40% aller Aktiva bei den staatlichen Banken (Oschadbank, Ukreximbank und Ukrgazbank) aus, darunter auch die Anleihen, die zur zusätzlichen Kapitalisierung dieser Finanzinstitutionen ausgegeben wurden. Inklusive der 116 Mrd. Hrywnja, mit denen das Loch in der Bilanz der PrivatBank gestopft wurde, belaufen sich die Investitionen in Staatsanleihen auf 10 Mrd. US-Dollar oder 40% der Gesamtbilanz dieser vier Banken.
Denjenigen, die glauben, dass die Kreditvergabepolitik der staatlichen Banken Korruptionsrisiken birgt, mag als positiver Umstand entgegengehalten werden, dass fast 15% der Staatsschulden bei den staatlichen Banken versammelt sind. In der Vergangenheit wurde die Finanzierung von Großprojekten durch die staatlichen Banken letzten Endes den Steuerzahlern aufgebürdet, die für die weitere Kapitalisierung dieser Banken zahlten. Wenn das Kapital der staatlichen Banken in Staatsschulden investiert ist, bleibt ihnen weniger Handlungsspielraum.
Andererseits stellen mehr als 250 Mrd. Hrywnja Staatsanleihen in der Bilanz der staatlichen Banken genug Ressourcen für Kreditvergaben dar. Sie können am Markt verkauft oder sehr unkompliziert als Sicherheit für die Geldaufnahme bei der NBU eingesetzt werden. Zur Rekapitalisierung der Banken verwendete Staatsanleihen werden in den Bilanzen der Banken allerdings als »bis zur Fälligkeit zu halten« klassifiziert und können entsprechend nicht verkauft werden. Die auf Zinssenkungen zielende staatliche Politik wird diese Anleihen für die Banken billiger machen, hängt ihr Preis doch direkt mit dem NBU-Zinssatz zusammen. Dank der Verstaatlichung der PrivatBank ist der Staat nun bei Geldkarten Marktführer und ein bedeutender Marktteilnehmer bei Privatkundeneinlagen und bei Geldtransfers angeht. Ob der Bedarf der ukrainischen Wirtschaft in diesem Bereich gänzlich abgedeckt werden kann, hängt davon ab, wie effizient die neue Leitung der PrivatBank sein wird.